Freitag, 12. November 2010
Jiujiang, den 12. November 2010
Das ist Joshy mit seinem chinesischen kleinen Bruder Didi
Ahoi Deutschsprachige!
Es ist schon wieder eine halbe Ewigkeit her, dass ich mich gemeldet habe. Langsam bricht auch hier der Herbst ein und einige Blätter beginnen sich zu verfärben. Die Temperaturen gehen nachts schon in den einstelligen Bereich, aber stehen tagsüber noch konstant bei angenehmen sonnigen 23°C.
„Oh my Lady GaGa“, ist wahrscheinlich der typischste chinesische Satz den es gibt. Man hört ihn ständig und überall. Bevorzugt sind es Kinder im Grundschulalter, die ihn sagen, aber auch darüber hinaus wird er gerne verwendet. Wie ihr euch denken könnt, ist es ein Synonym für „Oh mein Gott“.
Fischkopfsuppe wird zwar bei uns nicht gegessen, aber ist auch nicht völlig abwegig. Allerdings ist es etwas ungewohnt, wenn man mit seinen Zähnen auf dem mit Zähnen besetzten Unterkiefer eines Fisches herum kaut. Fischaugen dagegen sind nicht so schlecht, wie man sich es zuerst vorstellen mag. In meiner Familie wird jedoch wohl nichts „komisches“ auf den Tisch kommen, denn meine Mutter und mein Bruder essen so etwas nicht – aber mein Vater. Ich werde also, wenn die Zeit gekommen ist, mit meinem Vater „seltsame Dinge“ essen. Leider gibt es die wirklich ungewöhnlichen Gerichte in Nordchina. Für den Winter stehen aber vermutlich Speisen wie Hund, Grille, Skorpion und Riesentausendfüßler auf der Speisekarte. Ich bin gespannt und werde berichten!
Mit dem Belgier habe ich einem großen Markt einen Besuch abgestattet. Der Anfang ist trotz aller möglichen Gewürze und riesigen Gemüsearten relativ unspektakulär. Wenn man allerdings ein bisschen an den Rand des Marktes geht, sieht man Dinge, die man teilweise nicht unbedingt hätte sehen wollen. Dort gibt es nämlich alle möglichen Tiere. In der lebenden Abteilung tummeln sich Ziegen, Frösche, Kröten, Krabben, Schildkröten, Fische, Schlangen, Igel, Enten, Gänse, Tauben und Wachteln; und in der toten gibt es Wiesel, Rehe, Dachse, Rinder und Unmengen an Hunden. Überall hängen bzw. liegen tote Hunde mit abgezogenem Fell, ohne Kopf oder gerade erst getötet in einer Blutlache. Von allen Seiten gucken einen Ziegenköpfe mit heraushängenden Zungen vom Boden an und der Komplette Markt steht unter einer Wasser-Blut-Gedärme-Mischung. Nichts für leichte Nerven!
Eigentlich braucht man in China gar keine Autos, denn mit Motorräder und –rollern kommt man hier sowieso viel besser voran. Kein Wunder, dass man dutzende von Marken sieht, die man vorher noch nie gesehen hat. Die meisten mit so komischen Namen, dass man sie sich gar nicht merken kann. Jedoch bleiben ein paar im Kopf, wie zum Beispiel Suzuik, Suzuxi oder mein persönlicher Favorit Suzukl.
In den letzten zwei Wochen gehören Stromausfälle zum Alltag. Ständig ist plötzlich der Strom weg. Ich sitze vor meinem Laptop und auf einmal ist alles schwarz, wir sitzen beim Abendessen und von einer Sekunde auf die nächste ist alles stockdunkel oder ich sitze auf Klo und wie aus dem Nichts muss ich nach dem Klopapier tasten.
Jiujiang, die ewige Baustelle, ist gerade dabei unsere Straße von Grund auf neu zu machen. Es wird von einer Nacht auf die nächste der komplette Asphalt mit überdimensionalen Presslufthämmern auf gehämmert, so dass nicht mal mehr die Zweiräder einen Weg an der Baustelle vorbeifinden, deshalb ist auch jeden Tag an einer anderen Stelle der Stadt ein großer Stau. Aber der Chinese erkennt aus allem sofort seinen Vorteil und weiß ihn zu nutzen. So sitzen zum Beispiel die Frauen am Ende des Grundwasserabsaugschlauches und waschen ihre Wäsche oder sie laufen durch die aufgebohrten Straßen und füllen ihre Blumenkästen mit frischer Erde.
So, jetzt werde ich mich mal einigen Fragen von euch widmen.
„Wie sind die Leute in China, vor allem die jungen, so in ihrer Freizeit gekleidet?“
Die Schüler in Jiujiang haben nur wenig Freizeit, aber wenn sie mal welche haben, laufen sie häufig in ihrer Schuluniform herum. Da hier nicht jede Schule ihre eigene, sondern die ganze Stadt dieselbe hat, läuft gefühlt die Hälfte der Bevölkerung in den gleichen Klamotten herum. Falls sie nicht ihre Schuluniform tragen, sehen sie, was die Kleidung angeht, im Prinzip aus wie die deutsche Jugend auch. Es werden nur deutlich weniger Markenklamotten getragen. Ist ja auch kein Wunder, denn wer hat hier schon das Geld, um sich von Puma, Adidas oder Nike einkleiden zu lassen und warum sollte man dafür Geld ausgeben, wenn man auch die billigen Fälschungen hat. Jedoch wird im Großen und Ganzen darauf geachtet, dass man nicht zu sehr auffällt. Mit meinem grünen T-Shirt mit gelber Zitrone von Cleptomanicx bin ich hier quasi der Paradiesvogel unter den Menschen. Auch die älteren Menschen laufen nicht wirklich anders herum als in Deutschland. Bei den jüngeren Frauen gibt es jedoch größere Unterschiede. Es werden fast nur hohe Absätze getragen, das heißt geschätzte acht bis zwölf Zentimeter und das bei der täglichen Arbeit. Jetzt mag ein mancher frühpubertärer Spaßvogel denken „Haha, bei was für einer Arbeit denn?!“, aber genau das ist es. Ich Deutschland würde man „normalberufliche“ Frauen nie so auf der Straße sehen, wie hier. Weiße Stiefel bis zu den Knien, Strumpfhose und mikroskopisch kurzer Faltenrock. Welche deutsche Frau würde so täglich aus dem Haus gehen und das im fortgeschrittenen November?
„Was haben die so für Geschäfte, also wie muss man sich die so vorstellen?“
Es gibt vereinzelt die gleichen Geschäfte wie in Hamburg auch, das heißt Nike, Puma, Adidas, Kappa, The North Face, Vero Moda, etc. Die kleineren Geschäfte am Straßenrand sind meistens deutlich länger als breit. Teilweise gehen sie nur einen Meter in die Breite, aber dafür bis zu zwanzig in das Haus hinein. Dann hängen an den Wänden „Louis Vuitton“- und „Burberry“-Handtaschen. Und natürlich wird überall gehandelt!
„Gehen die ihre Lebensmittel in Supermärkten einkaufen oder nur auf der Straße bzw. dem Markt?“
Beides. Supermärkte gibt es deutlich weniger als bei uns. Ich kenne nur zwei, aber die sind riesig. In den Supermarkt wird allerdings nur selten gegangen, denn man hat so gut wie alles auf der Straße. Wenn meine Mutter sich mal im Supermarkt blicken lässt, dann nur, um Milch, Milchpulver oder Zahnpasta und ähnliches zu kaufen. Also nur für Dinge die es nirgendwo sonst gibt, denn etwas wie Budni oder Schlecker gibt es nicht. Auf der Straße wird fast alles verkauft. Obst, Fisch, Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, und und und. Auch wenn es im Supermarkt Discounterpreise gibt, ist es auf der Straße meist günstiger, denn hier wird hemmungslos gehandelt. Wenn das halbe Kilo Mandarinen 6 Kuai (Kuai ist nur ein anderes Wort, meint aber das gleiche wie Yuan) kosten soll, will man es für zwei oder drei haben. Es wird wirklich um jeden Cent gekämpft. Für den Markt gilt das gleiche, wie für die Straße, nur die Auswahl ist deutlich größer.
„Wie genau sieht eigentlich ein Essen aus? Was steht auf dem Tisch, wie wird gegessen und was herrschen für Tischmanieren?“
Auf dem Tisch liegt grundsätzlich eine Unterlage aus Glas oder Plastik, zu dem Zweck komme ich später. Es ist nicht wie bei uns, dass man den Topf mit Kartoffel, die Pfanne mit Fisch oder Fleisch und eine Schale mit Bohnen hat, sondern es gibt viele verschiedene Gerichte (cai). Jeder hat ein Schälchen mit Reis und füllt sich etwas von den Gerichten auf. Man benutzt bei jeder Mahlzeit nur seine eigenen zwei Stäbchen. Der ganze Tisch steht voll mit kleinen Schalen. In einer ist Fisch, in einer anderen Hühnerfüße und in der nächsten gezuckerte Tomaten. Es sind immer so viele Sachen, dass jeder etwas findet, das ihm schmeckt. Meistens gibt es dieselben Dinge ein paar Tage hintereinander, weil sie noch nicht aufgegessen wurden. Außerdem steht immer ein Topf mit Suppe auf dem Tisch, jedoch keine Suppe wie wir sie kennen. Häufig ist es Wasser, unendlich viel Öl, Maiskolben und Knochen. An den Knochen ist auch noch etwas Essbares dran. Meistens ist es ein wenig Fleisch, viel Fett und noch mehr Sehnen bzw. Knorpel. Ein Steak oder Schnitzel aus purem Fleisch ist hier unvorstellbar. Es sind immer Knochen mit Resten daran, diese werden in den Mund genommen und abgenagt. Getrunken wird eigentlich nie, es sei denn, man ist in einem Restaurant, dann trinkt man seine mitgebrachten Getränke. Kommen wir zu den Tischmanieren. Man sollte das Wort „Manieren“ lieber in Anführungszeichen setzen. Es wird geschmatzt, gerülpst und auf den Tisch gespuckt, womit wir wieder bei der Unterlage wären. Alle Knochen, Gräten und was man sonst noch nicht essen kann landen auf der Unterlage, die am Ende abgewischt wird. Ohne schlürfen geht gar nichts. Wenn die Suppe getrunken wird, ist das in der ganzen Wohnung zu hören. Der anständige Chinese nimmt beim Essen die linke Hand an das Schälchen und führt es, falls nötig, zum Mund. Man kann es aber auch wie mein Bruder machen, der seinen Oberkörper soweit nach vorne lehnt, bis sein Kopf in der Schale liegt. So fängt er dann an seine Knochen abzuknabbern, den Reis in sich herein zu saugen und die Suppe zu schlürfen. Ich habe bisher bei noch keinem Chinesen schlimmere „Tischmanieren“ gesehen! Am Ende nimmt man sich eine Servierte aus dem Spender und wischt sich den Mund ab.
Der fünfte Bericht aus Jiujiang neigt sich auch schon wieder dem Ende zu. Wenn ihr irgendwelche Fragen, Wünsche, Ideen oder was auch immer habt, dann schreibt sie mir und ich werde, wie dieses Mal, im nächsten Beitrag darauf eingehen.
Liebe Grüße aus dem wärmeren Südosten.
Euer Joshy! J
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