Montag, 13. September 2010

13.09.2010 Neues direkt aus China

Hey Ladies!

Ich hab meinen Stecker in eine Steckdose bekommen, das heißt ich kann meinen Laptop laden und einen Blogeintrag verfassen! J Da ich überhaupt keine Ahnung habe, was meine Mutter bisher so reingeschrieben hat erzähle ich einfach mal ein bisschen.

Die Stadt hier heißt Jiujiang und hat insgesamt rund 4.600.000 Einwohner. Von frischer Seeluft kann ich nur träumen. Wir liegen ziemlich weit im Land drin. Ihr könnt den Stadtnamen ja mal googlen oder so. Von Reichtum ist die Gegend hier nicht gerade geprägt, wenn man sie mit Hamburg oder Deutschland generell vergleicht. Entsprechend niedrig sind die Lebenshaltungskosten. Der Bus kostet gerade mal 1 Yuan, 550 ml eiskaltes Wasser 1,50 und ein Abendessen im Restaurant für vier Personen 40-50 Yuan, inklusive Getränke. Der Wechselkurs liegt bei 1:9, 1 Euro entspricht 9 Yuan. Ich werde die Preise immer nur in Yuan angeben, ihr könnt euch dann selber ausrechnen wie viel das wäre. ;-)

Meine Gastfamilie ist superfreundlich! Die Eltern sprechen nicht ein Wort Englisch und der Sohn auch nur schlecht. Ganzkörperverständigung ist also angesagt. Klappt auch ganz gut bei den wichtigen Sachen. Essen, Trinken, Duschen, Schlafen. Die haben zwei Wohnungen, hört sich erst mal phänomenal an, aber wir sind hier in China. Das „new house“ ist ein relativ großes Apartment. Ich bin ganz gerne dort, weil ich mein eigenes Zimmer habe, die Klimaanlage ständig läuft und hier Dusche und Toilette sind. Weil hier Dusche und Toilette sind? Ja ja ganz recht! Da komm ich gleich zu. Leider ist das neue Haus so weit weg von der Schule, deswegen schlafen wir hier entweder nur am Wochenende oder kommen in der Woche nur zum Schlafen her. Den Tag nach der Schule verbringen wir im „older house“. Die kleine spartanische Wohnung liegt auf dem Gelände der Schule meiner Gastmutter. Sie ist Lehrerin und alle Angestellten haben dort eine kleine Bleibe. In den vier Wänden teil ich mir mit meinem Gastbruder ein Doppelstockbett. An den Wänden ist ab und zu ein bisschen Schimmel und Dreck, aber soweit ich weiß, ist hier noch keiner gestorben. Kommen wir zu den sanitären Einrichtungen. Die Dusche ist ein Wassereimer mit Schlauch und Kelle, außerdem „duscht“ man sich über dem Klo. Das „Klo“ ist ein Loch im Boden mit zwei Trittflächen für die Füße. Es ist, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Der Satz meines belgischen Freundes Bart trifft es immer wieder. „That’s really something.“ Ob das grammatikalisch hundertprozentig einwandfrei ist, weiß ich nicht, aber irgendwo passt es wie „Arsch auf Eimer“! Den Spruch hat er auf der Hinfahrt mit dem Zug gebracht, als er aus dem Fenster geguckt hat. Man kann einfach nicht beschreiben, wie es hier ist. Es ist halt etwas.

Nun zur Umgebung. Wenn ihr es euch auf einer Karte oder im Internet anseht, dann werdet ihr bemerken, dass hier ziemlich viel Wasser ist. Viele Seen und Flüsse. Wie sauber doch unsere Elbe ist! Im Norden, Süden, Osten oder Westen ist ein Nationalpark mit Bergen und Wäldern. Der Weg den „Lushan“ hoch ist von einer Treppe geprägt. Die Stufen bilden abgeflachte, große Steine. Ein ganz schöner Akt für einen Hamburger Jung! Die Natur ist atemberaubend. Alles ist so viel größer als in Hamburg. Die Libellen, die Schmetterlinge sogar die Ameisen. Am Wegesrand und überall um einen herum wächst Bambus. Ab und zu kreuzt ein kleiner Gebirgsbach den Weg und wird gerne als Erfrischung genutzt. Meine Familie geht da jedes Wochenende hin und wandert. Na ja, das bleibt mir wohl nicht erspart, aber die Natur ist es immer wieder wert. Wie hoch der Berg ist, weiß ich nicht genau. Ich hab etwas von 1800 Metern im Kopf, aber ich kann mich irren.

Das Klima ist eher medium-geil. Am Anreisetag hatten wir um die 45°C, so ein Wetter liebt der Joshy – Nicht! Normalerweise haben wir hier 35 Grad und es ist eigentlich windstill. Die Sonne scheint zwar, jedoch sieht man sie durch den Smog, der über der Stadt hängt nicht. Genauso ist es mit dem „blauen“ Himmel und den Sternen. Ventilatoren und Schweiß laufen eigentlich 24 Stunden am Tag. Ich befürchte, dass ich zu wenig Deodorant mitgenommen habe.

Anpassungsfähig muss man sein, wenn man hier nicht verhungern will. Zu jeder Mahlzeit gibt es natürlich Reis und dann stehen immer unzählige Schälchen mit irgendetwas auf dem Tisch. Mal ist es Tofu, dann Hühnchen und ein anderes Mal ist es etwas, was mein Gastbruder nicht übersetzen kann, also unbekannt. So viele seltsame Sachen musste ich hier noch gar nicht essen. Es waren erst drei Gerichte, die man bei uns normalerweise nicht bekommt. Gegrillte Hühnerfüße (oder etwas größeres), Schildkröte und Frösche. Froschschenkel kennt man ja vom Hören aus Frankreich, aber die essen den kompletten Frosch. Hier wird generell alles gegessen. Es sind immer Knochen im Spiel, die in den Mund gesteckt und abgeknabbert werden. Mit Stäbchen versteht sich! Beim Essen darf man nicht nachdenken. Der Schildkrötenkopf auf dem Tisch guckt nicht in deine Richtung und die Hühnerfüße sind nicht den ganzen Tag durch Exkremente gelaufen. Alles ist extrem. Entweder ist es furchtbar süß oder unglaublich scharf. Chilischoten sind überall zu finden und daran wird auf keinen Fall gespart. Milch, die arm an Laktose ist, ist eher nicht so lecker. Dafür ist sie mit ordentlich Zucker angereichert, wie so vieles. Auf den Saftflaschen wird mit 30% Fruchtgehalt geworben, so schmeckt es auch. Irgendwie ist alles künstlich und zu süß. Na ja, das Wasser ist ganz gut.

Es wird hier nur chinesische Musik gehört. Mal kommt aus einem Geschäft „Just Dance“ von Lady GaGa oder ein Song der Backstreet Boys. Nicht das allerneuste der westlichen Welt läuft hier. Den Schock habe ich im Auto bekommen. Das Radio läuft und ich achte zuerst gar nicht drauf, doch irgendwann bemerke ich es. Als ich die Worte „Cherry, cherry Lady“ vernehme. Was soll man 2010 auch sonst für deutsche Musik hören?! Modern Talking ist angesagt. Ach her jemine.

Die Schule ist skurril. Sie ist aufgeteilt in 12-14 und 15-18 Jahre. Unsere Schule ist nicht gerade winzig. Ein Kunstrasenplatz, eine Laufbahn, mindestens 15 Tischtennisplatten, zwölf Basketballplätze und noch so einiges anderes. Außerdem soll noch ein Gebäude gebaut werden, ich hab zwar keine Ahnung, was es ist, aber es sieht verdächtig nach einer Schwimmhalle aus. Das erste Haus wird von einem riesigen Torbogen geziert. Davor steht der Fahnenmast an dem jeden Montag die Fahne zur Nationalhymne gehisst wird. Alle starren uns an und sagen „Hello!“ oder „Hi!“. Mittlerweile ist es etwas nervig. Diese Woche ist irgendetwas mit Militär. Heute war der erste Tag. Alle Klassen meiner Stufe stehen jeweils mit einem Mann in Uniform auf dem Sportplatz und marschieren, drehen sich und schlagen die Hacken zusammen. Ich hab mir erst mal meinen ersten chinesischen Sonnenbrand geholt, und was für einen! Mindestens morgen muss ich nicht mitmachen, sondern darf im Schatten sitzen und zugucken. Ich wollte eigentlich meine Kamera mitnehmen, aber es scheint so, als wäre sie gerade kaputt gegangen. Das Objektiv schließt sich nicht mehr. -.-

Es ist nicht immer toll „prominent“ zu sein, das merkt man hier besonders. Die ersten paar Tage mag es ja ganz lustig sein, dass einen alle angucken, aber es wird anstrengend. Völlig egal wo ich bin, jeder starrt mich an. Kleine Kinder zeigen mit dem Finger minutenlang auf mich, alte Leute kriegen den Mund nicht mehr zu und gucken unfreundlich und alles zwischen alt und jung gafft nur. Die Menschen machen Fotos von mir, zeichnen mich mit in ihre Landschaftsbilder und fassen meine Haut und Haare an. Wie ich es vermisse einfach nur einer von vielen zu sein und in der Menge zu verschwinden. Nur auffallen, wenn man es auch will. Hier kann ich keinen unbeobachteten Schritt machen. Der Ausländer trinkt Sprite, also müssen wir es auch trinken. Oh guck mal der Ausländer kratzt sich am Kopf, vielleicht sollten wir das besser auch machen. Alles so ‘ne Nachmacher hier! ;-/

Der Verkehr ist äußerst, ehm, nennen wir es mal: Anders! Angeschnallt wird sich grundsätzlich nicht. Aber wieso auch, schließlich kommt man nur selten über die magische 50 km/h Marke. Bremsen werden auch eher vernachlässigt, man hat ja eine Hupe. Die Stadt würde ein unglaubliches Geschäft machen, wenn sie für jedes Mal hupen einen Yuan kassieren würden. So, wie ich das bisher einschätzen kann, herrscht hier das Gesetz des Stärkeren. Groß vor klein und wer zögert verliert! LKW -> Bus -> Kleintransporter -> Auto -> Dreirad -> Motorrad -> Motorroller -> Fahrrad -> Fußgänger. So ungefähr sieht die Rangordnung aus. Vielleicht sind Busse auch an erster Stelle, weil die Bremsen meistens nicht mehr wirklich funktionieren. Die Busse werden hier gefahren bis sie auseinanderfallen und dann am liebsten noch weiter. Beim Anfahren ersticken die nächsten drei Autos in einer schwarzen Wolke. Außerdem ist der Bus erst voll, wenn die Menschen wieder herausfallen. Zebrastreifen sind eigentlich nur dafür da, damit der Asphalt nicht so eintönig ist. Passanten müssen die kleinen Lücken zwischen den Autos und Zweirädern abpassen und dann einfach zwischen zwei Spuren stehenbleiben. So kommt man Schritt für Schritt voran. Falls man ganz falsch stehen sollte, bekommt man das akustisch sehr schnell mit. Denn dann geht der Finger nicht mehr von der Hupe ‘runter. Eigentlich ganz einfach.

Ich habe in meinem Zimmer ein Internetkabel gefunden, aber es funktioniert nicht. Mist. Naja ich will auch nicht zu viel deutsche Sprache um mich herum haben. Es ist schon so schwer genug. Den ganzen Tag sich in der Schule auf Englisch unterhalten, versuchen Chinesisch zu lernen und abends auf Deutsch Tagebuch schreiben und möglicherweise Mails beantworten.

Also mehr fällt mir jetzt so spontan auch nicht mehr ein, aber ich denke, ihr habt nun ein kleinen Eindruck von meinem chinesischen Leben. Ich hoffe, dass ich den Bericht am 8. September zu meiner Mama schicken kann, dann müsstet ihr ihn bald lesen können. Ach dabei fällt mir noch ein, dass ich einen chinesischen Namen habe. 曾希,Zeng Xi, lautet er und wird eher ausgesprochen wie „zen(g) chi“. Zeng ist der Familienname meines Gastvaters und Xi soll wohl so etwas wie Hoffnung heißen. Vielleicht, weil meine Gastmutter die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat.

So mehr fällt mir jetzt aber wirklich nicht mehr ein. Mit diesen Worten verabschiede ich mich und hoffe, dass ihr nun etwas schlauer seid. Ich denke täglich an euch alle und vermisse euch. Aber mir geht es trotzdem gut hier. Verzeiht mir, falls ich mich noch nicht persönlich bei euch gemeldet habe, doch ich habe ziemlich viel um die Ohren.

Liebe Grüße aus dem bevölkerungsreichsten Land der Welt.

Euer Joshy! J

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